Das Tagebuch

28.5.25
Es dämmert schon
Ob es in sog. aufwendig produzierten TV-Dokus um seltene Maikäfer, seltene Krankheiten, seltene menschliche Meisen und Marotten oder um seltene Erden geht oder um – natürlich seltener - selten dämliche Politiker, schon seit längerem versucht man die Quote ah­nungsloser Zuschauer zu steigern, indem man ihnen nach jedem zweiten oder dritten Satz in dieser Sorte Bildungsfilmchen mit selten dazu passen­der, reißerischer Mu­sik, Getöse und sonstigen Kakophonien auch noch den letzten kritischen Gedanken aus der Birne bumballabimst. Und wenn die Doku-Produzenten meinen, ihre Produkte mit O-Tönen z.B. in englisch, französisch oder chinesisch, garnieren zu müssen, um dadurch die eigene Seriösität erhöhen oder beweisen zu können, wird am besten noch die deutsche über die Originalversionen exakt drüber geschnitten und vorzugsweise in der gleichen ungesunden Lautstärke, so dass man am Ende gar nix mehr kapiert.
Das war nur ein Beispiel. Ganz abgesehen von der zwangsläufigen Nervenabmurkserei in der Postpostpostmoderne.
Es vergeht in diesen Anstalten kein Tag, an dem ihr psychopatholo­gischer Veränderungswahn, motiviert allein durch höchst banalen Steigerungswillen des allgemeinen Konsumterrors, sich nicht selbst noch ein paar mal überholt. Irgendwer muss den „Verantwortlichen“ wohl – auch nur 'n Beispiel - mal geflüstert haben, dass „die meisten Leute die Nachrichtensen­dungen einfach nicht mehr verstehen können.“ „Die Info-Sprache muss für die einfachen Leute einfach vereinfacht werden!“ Und zack! am nächsten Tag hieß es nicht mehr „Der Kanzler hat gesagt“, sondern „Der Kanzler, der hat ja gesagt.“
Marietta Slomka zum Beispiel, eine der ganz großen Vorreiterinnen im Verhunzen der deutschen „Info“-Sprache, hat noch ein neues Element in die Simplifizierung eingebracht. In einen längeren Satz mit -sagenwamal- 20 Wörtern schafft sie es locker, mindestens 19 unterschiedliche, durchaus sinnentsprechende Gesichtsmimiken zu „performen“. Dass damit das journalistische Grundgesetz der strikten Trennung von Nachricht und Kommentar mirnichtdirnichts ad acta gelegt wurde, ist den herrschenden Unterhaltungsfiffis so wurscht wie wurscht.
Aber das alles sind nur eher harmlose Beispiele, nur der mickerige Anfang vom nicht abzusehenden Ende. Zur Versimpelung der „Nach­richten“-Sendungen gehört mitt­lerweile eine Armada an Maßnahmen, ohne die ne intendierte Massenverblö­dung nie funktionieren könnte. An erster Stelle hammer da die Prioritätenverschiebung: Wichtig ist nicht die Nachricht, sondern ihr Sprecher; wichtig ist nicht dezente Kleidung, sondern eine ins Auge springende Klamotte; wichtig ist nicht eine deutliche Aussprache, sondern ruhig auch mal ein kleiner Sprachfehler (Achtung Minderheitenschutz!), zum Beispiel ein leich­tes sexy Lispeln. Zum Beispiel.
Etcetera etcetera.
Und neuerdings ganzganz wichtig: Heimat, Heimat, Heimat, Heimat – das unüberhörbare Scheiß-Wort, das schon lange auf dem Sonder­müllhaufen der Geschichte hätte entsorgt werden müssen! Ja, sicher. Natürlich, natürlich kann man im Dialekt viele Dinge deutlicher dar­stellen und verständlicher kritisieren. Härter halt in jedem Fall. Aber die meisten Regional-Apostel wollen nur in ihrem jeweiligen Heimatsumpf rumsuhlen und so den Rest der Welt ersticken und vergessen. Denn die meisten Mörder morden mit Vorliebe in der eigenen Familie. Hab ich mal gehört. Beispielsweise.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich auch die allerletzte Sack­gasse für unabhängig erklärt und eine echte, einfache Sackgasse wird und bleiben wird und somit das glorreiche Ende der Globali­sierung endlich erreicht ist, diese etwas neue Art der ...
Endlösung.
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