Das Tagebuch

1.3.24
Werter ‚Kölner Stadtanzeiger‘, (3)
bei der Lektüre Ihres Artikels von gestern
„Aufstehen für die Demokratie!
Unsere Demokratie wird bedroht durch rechtsextreme Kräfte. Viele Menschen werden dagegen jetzt aktiv. Eine Schwerpunkt-Ausgabe mit der Botschaft: Wir sind mehr!“
sind mir ein paar demokratische Rülpser hochgekommen, von denen ich Ihnen heute erzählen möchte. Keine Angst, Herrschaften! Ich ha­be nicht vor, Ihrem hohen Hause einen Besuch abzustatten, um mit einem rein geschmuggelten Hackebeil Ihren Redaktionstisch zu zer­deppern!
Zunächst mal:
Wenn das Nazipack die Demokratie nicht leiden kann, ist das deren Bier. Dann sind die Nazis aber immer noch Bürger dieses Staates. Wenn Sie, werter ‚Stadt-Anzeiger‘, jedoch von „unserer“ Demokratie palavern, dann sind Sie es, die mit der Ausweisung unliebsamer Bürger hier anfangen.
Und wenn Sie behaupten, diese Demokratie würde durch das Nazi­pack bedroht, konstruieren Sie eine Kausalität, die nicht existiert.
Das Problem ist nicht die Stärke der Faschisten – und hier zählt nur die zahlenmäßige Stärke; etwas anderes hat dieses steindumme, apolitische Gesocks ja nicht zu bieten -, sondern die Schwäche der Demokraten.
Wenn Sie also einerseits die objektiv falschen Thesen der Faschisten mittels treffender Argumente im friedlichen Gespräch ad absurdum führen wollen, um sie dann dergestalt ins bunte, tole­rante Reich der Demokratie zu locken, andererseits aber bereits im internen Vorge­plänkel das Nazipack aus jeder demokratischen Kommunika­tion konsequent, für immer und radikal ausschließen – ich meine, sehen Sie da nicht auch zumindest einen klitzekleinen Wider­spruch?
Und noch so ’ne komische Behauptung: Ihre Kampagnen-Botschaft „Wir sind mehr!“ Wenn Sie sich da mal nich um einige Millionen über­schätzen. Die deutsche Geschichte kann Ihnen, hab ich mal gehört, von gänz­lich andern Dimensionen erzählen.
Und zum guten Ende noch eine zugegeben reine Ge­schmack­sache: Ich kann diese immergleichen Gesichter, die in Ihrem Blatt ihre Gra­tisgesinnung zum Besten geben, einfach nich mehr sehn. So kann man seine Leserschaft übrigens auch verkleinern, um nicht zu sagen, ihrer verlustig werden. Denken kann ich selber.
Danke.

P.s.:
Kennen se den hier?
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“
(Hanns-Joachim Friedrichs)
zum Tagebuch