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Der Karamellpudding, Teil I

„Erinnerungen '30 - '82“ von Helmut Kohl

Aus leidvoller, ja, aus schmerzlicher Erfahrung wissen wir – und die „Gechichte“ hat es uns leider fürwahr wieder und wieder vor Augen geführt -, dass auch Christenmenschen untereinander nicht immer sehr sensibel miteinander Umgang pflegen. Es fiel in der „Gechichte“ des öfteren ein garstig Wort, welches später man bereute, ein ungelenker Ausdruck, der womöglich wehe tat, weil’s ihm an Wahrhaftigkeit gebrach. Nicht nur Helmut Kohl in seinem üppigen Büchlein, nein, auch wir selbst erinnern uns gerne an Franz Josef Strauß, der da im Jahre 1976 seinem Unionsfreunde und Kanzlerkandidaten Birne folgendes öffentlich vor dieselbe verkofferte:
„Helmut Kohl wird nie Kanzler werden. Er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, geistigen und politischen Voraussetzungen; ihm fehlt alles dafür.“
Heute wissen wir: Das war ein Satz mit sechs „Denkste Puppe“ incl. „Pustekuchen“. Die Prognose ging in die Hose, denn charakterlich, geistig und politisch hat dieses Volk ja wohl nie einen voluminöseren Führer gesehen als Helle aus Oggersheim.
Dagegen sind und waren alle andern kleine Wichte oder laue Luschen, Flaschen oder lächerliche Weiberknechte. Selbst dieser Adolf Hitler
hatte sein Amt nur 12 Jahre inne, war nach neuesten wissenschaft-
lichen Erkenntnissen unter Umständen sogar schwul und aß aus Angst
oder Überzeugung nur Quatsch mit Sauce.
Helmut Kohl hatte da mehr auf der Pfanne. In die Seite 18 knödelt er besessen:
„Bei uns wurde gegessen, was auf den Tisch kam.“
Hm. Das klingt vielleicht ein wenig barsch, meine Damen und Herren, obgleich, es ist nicht so gemeint. Ungerührt fährt Schmalhans Küchen­meister fort:
„Werktags Mehl- und Eierspeisen, freitags Fisch, am Samstag Eintopf und 2mal die Woche Fleisch.“
Werktags, freitags, samstags - der gute, alte Wochenplan. Doch was war mit dem Sonntag? Wie sah es denn am Sonntag aus? Beispielweise mit dem – lass mal raten - Sonntagsbraten?
„Wir lebten gezwungenermaßen sparsam und be­scheiden. Wir hatten aber keine Sorge um das täglich Brot; es reichte auch zum Sonntagsbraten.“
Wusst' ich's doch! Mit dicke Kartoffeln und braune Pampe! Wir wollen’s ihm nicht neiden. (Doch stellt dies schon einen Unterschied zu Herrn G. Schröder dar, der, wie man weiß, extra in einem armen Arbeiterheim groß gepäppelt werden musste. Aber egal.) Bei „Sonntagsbraten“, liebe Leser, ob arm, ob reich, ob reich, ob arm, da heischeln uns alle wohlige Gefühle an, da schweifen kuschelige Gedanken durch die Gegend, da denken wir automatisch an Feiertage, Festlichkeiten und volle Plautzen, und an, ja, selbstverständlich, auch an das frohe Weihnachtsfest. So notiert der dicke Mann in seine Erinnerungen:
„Am feierlichsten wurde natürlich das Weihnachts­fest be­gangen. Noch heute erinnere ich mich der Abende, an denen das unerlässliche Festgebäck entstand. Für uns war das eine Selbstverständlichkeit: Lebkuchen, Spritzgebackenes und Zimtwaffeln.“
Ähm, ich persönlich find ja Zimt ziemlich zum Kotzen. Is’ aber auch wahrscheinlich Geschmacksache. Weiter:
„Das ganze Haus duftete nach Mandeln und Vanillezucker, nach ausgelassener Butter und Zitronat.“
Hähä, Zitronat, genau! Bei Zitronat fällt mir immer meine Mutter ein: Hahaha, die hat für Zitronat immer ‚Judenspeck’ gesagt. Egal.
„Und schon der frische Teig schmeckte köstlich. Er ist es gewesen, der meine Neigung zu Süßspeisen ge­weckt hat,
er und vor allem - der Karamellpudding.“

Ja, der Karamellpudding!
„An den Weihnachtstagen genossen wir ein ‚gutes Leben’. Höhepunkt des Festmahls war die schön gebräunte Weih­nachtsgans. Den Abschluss bildete eine Zitronenspeise
oder aber der berühmte - Karamellpudding, auf den sich meine Mutter so gut verstand. Ich habe seinen Geschmack noch heute auf der Zunge.“

Ja, der gute, alte Karamellpudding! Köstlich!
Einerseits.
Andererseits aber, meine Damen und Herren, muss ich hier im Falle des Karamellpudings doch eine kritische Anmerkung wagen! Sicher, das mit dem Karamellpudding ist bestimmt eine wunderbare, nette Anekdote. Doch so Leid es mir tut - sie stimmt so nicht! So formuliert – in einem solch direkt kausal-historischen Zusammenhang gestellt – handelt es sich um eine gleichsam karamellpuddingdicke, fette Lüge. Ich mein, selbstverständlich gibt's das Phänomen, dass sich ein seniler Sack an einen besonders feinen Geschmack aus seiner Jugend erinnern kann. Aber so ist es bei Helmut Kohl erwiesenermaßen eben nicht gewesen! Weil er in der Zwischenzeit nämlich sehr, sehr häufig Karamell­pudding gegessen hat! Das weiß man! Denn 1998, kurz vor seiner Abwahl, hat
er im Fernsehen bei Alfred Biolek noch groß getönt:
„Am liebsten esse ich Karamellpudding.“
So, das nur dazu.
Na ja, die Sache mit dem „Karamellpudding“ ist viel­leicht auch nicht so wichtig. Das Buch hat 685 Seiten, ich wiederhole: 685 Seiten, und der „Karamellpudding“ kommt eigentlich nur 2mal vor.

Das Buch ist ja wesentlich eine politische Lebenswerk­beschreibung. Und ich vermute mal, interessanter als der „Karamellpudding“, meine Damen und Herren, wäre deshalb für Sie wohl seine Schilderung, zum Beispiel, wie er und seine Krisenstab-Komplizen damals im deutschen Herbst ’77 ihrem „wirklich guten Freund Hanns-Martin Schleyer nicht helfen konnten“ und „aus Gründen der Staatsraison“ eiskalt über die Klinge haben springen lassen, zum Beispiel, oder – auch sehr lustig – dass, laut Kohl, „die Gründung der CDU eigentlich in den Gestapo-Gefängnissen von Berlin-Tegel stattgefunden hat“, oder wie er sowieso überhaupt die letzten 80 Jahre, „uns Deutsche“, Europa, die Welt, das All & den Kosmos mit all seinen Fixsternen, Para­lleluniversen und kleinen Mittelstandsbetrieben und sich selbst durch eine Brille sieht, die mindestens drei Jahre lang in einem Riesensuppen­teller voll „Karamellpudding“ gelegen haben muss.
Nee, nee, liebe Wähler und Wählerinnen, dat is alles nix!
Aber wie er z.B. unsern eminenten „Bundespräsidenten Heinrich Lübke“ zu desavouieren weiß – das hat schon was! „Ein Thema, das ihm besonders am Herzen lag, war die Entwicklungshilfe. Der Kampf um eine Minde­rung des Hungers in der Welt ist mit seinem Namen eng verbunden.“ Yo! Und da kann heute noch so mancher Neger ein Lied von hiphoppen.
Oder aber sein Kapitel über die APO! „Wie er mal die APO foppte“:
„Kurz nach meiner Wahl zum Ministerpräsidenten 1969 näherte sich eine größere Schar von Demonstranten dem Mainzer Landtag. Mit einem Megaphon erklomm ich das Dach eines VW-Polizeitransporters. Ich forderte die Demonstranten auf, in die Politik und in die Parteien zu gehen, wenn sie etwas besser machen wollten, um dort ihre Ideen zu verwirk­lichen. Während ich sprach, wurde ich immer wieder nie­der­gebrüllt, und dann hatten wir – was ja auch ein bemerkens­wertes Zeichen für unsere Diskussions­kultur war – eine längere öffentliche Diskussion über meine Potenz.“ Scheiße! Da wär’ ich gern dabei gewesen! „Schließlich forderte ich sie ultimativ auf, die Bann­meile zum Parlament nicht zu über­schreiten. Die Demonstranten zogen von dannen. Sie suchten den Rückzug über den Mainzer Marktplatz. Dort wurden sie von einer aufgebrachten Menge schimpfender Marktfrauen empfangen und richtig verdroschen.“
Das war er denn wohl - der Startschuss. Daraufhin ist dann, nehm ich an, die raf entstanden. Und bei Kohl das große Projekt „Geistige Ausein­andersetzung“, der coole Kampf um die kaputten Köpfe. Und dement­sprechend, Holger, ging der Kampf weiter:
„In der Kulturpolitik haben wir viele Anstrengun­gen unter­nommen; unter anderem habe ich mich leb­haft für das künstlerische Geschehen engagiert. Meine nachdrückliche Unterstützung fanden Aus­stellungen des rheinland-pfälzi­schen Kunsthandwerks mit den Schwerpunkten Keramik, Edelsteingestaltung und Schmuck in Höhr-Grenzhausen
und Idar-Oberstein.“


Meine Damen und Herren!
2006 erscheint der zweite Band von Karamellpudding.
Und dann gnade uns Gott.

Mär. 2004
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